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Freitag, 18. März 2011

In der Systematik....

...der Literaturwissenschaft ist Max Frisch´s Biedermann in die Rubrik der Nachkriegsliteratur eingeordnet. Das Stück in dieser Systematik zu betrachten, erschließt es auf der einen Seite, verschließt aber zugleich für viele weitere Facetten den Blick. Helmut Karasek schob das Stück genau in diesen Nachkriegs-Aufarbeitungs-Kontext, in dem er sagte:

"Man sieht eine Parabel, in der die Machtergreifung Hitlers treffend eingefangen ist. Die Erfahrung, dass Hitler aus seinen wahren Absichten in "Mein Kampf" nie einen Hehl gemacht hat, ist hier szenisch fassbar geworden. Der Terror kann sich unverblühmt geben, sobald der den Bürger mit verstrickt hat, ihn zum Mitschuldigen machte. Er kann sich darauf verlassen, dass das Opfer nicht glauben wird, was es ahnt. Die Feigheit verschließt noch vor der Wahrheit Augen und Ohren."

Diese Sicht auf das Stück wird seit inzwischen vielen Schülergenerationen in vielen Stückanalysen übernommen.Darüber hinaus führend gibt Max Frisch elf Jahre nach dem Erscheinen seines Werkes eigene Interpretationshinweise, wohl auch um es der inhaltlichen "Verkürzung" zu entziehen:

"Als Stückeschreiber hielte ich meine Aufgabe durchaus für erfüllt, wenn es einem Stück jemals gelänge, eine Frage dermaßen zu stellen, dass die Zuschauer von dieser Stunde an ohne eine Antwort nicht mehr leben können - ohne ihre Antwort, ihre eigene, die sie nur mit dem Leben selbst geben können. (...) Aber jede menschliche Antwort, sobald sie über die persönliche Antwort hinaus geht und sich eine allgemeine Gültigkeit anmaßt, das wissen wir, und die Befriedigung, die wir im Widerlegen fremder Antworten finden, besteht darin, dass wir darüber wenigstens die Frage vergessen, die uns belästigt - das würde heißen: wir wollen gar keine Antwort, sondern wir wollen die Frage vergessen. Um nicht verantwortlich zu werden."